Bildnachweis: ÖSK

Klimawandel im Außerfern

28.10.2022
Klimaschutz und Klimawandelanpassung - warum wir ganz klar für eine neue KLAR! sind.

Der Klimawandel ist im Außerfern längst angekommen. Messdaten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) zeigen eine signifikante Veränderung des Klimas. Von 1960 bis 1990 betrug die Lufttemperatur im Jahresmittel in Reutte noch 5,8°C. Von 1990 bis 2020 kam es bereits zu einem Anstieg der Jahresmitteltemperatur um 1,3°C auf jetzt 7,1°C. Starkniederschläge (über 20 mm pro Tag) nahmen besonders in den Wintermonaten im gesamten Außerfern deutlich zu. Die Anzahl der Tage mit einer Schneedecke von über 10 cm reduzierte sich in Reutte von 101 auf 75 und in Holzgau von 127 auf 104. Die Anzahl der Tage mit einer Schneedecke von über 50 cm sank in Reutte von 29 auf 10 und in Holzgau von 62 auf 29.

 

Abbildung 1: Simulierte Entwicklung der Lufttemperatur in Tirol - Klimawandelszenarien (Quelle: ÖKS 15 Klimaszenarien)

Im Auftrag von Bund und Bundesländern hat eine Expert*innengruppe Klimaszenarien für Österreich errechnet (s. Grafik). Im „Business as usual“ Szenario wird davon ausgegangen, dass weiterhin sehr viele klimaschädliche Stoffe wie beispielsweise CO2 ausgestoßen werden. Bis 2100, so die Expert*innen, muss dann mit einer Erwärmung des Klimas in Österreich vom bisherigen Mittelwert 2,9°C auf ca. 8°C gerechnet werden – also eine Erwärmung um etwa 5°C. Im Klimaschutzszenario errechnen die Expert*innen für 2100 eine Jahresmitteltemperatur von ca. 6°C – eine Erhöhung um etwa 3°C.

Ob 3°C Erwärmung oder 5°C Erwärmung: beides klingt nach nicht viel. Tatsächlich haben aber schon kleine Temperaturdifferenzen enorme Auswirkungen. Zum Vergleich: während der letzten Eiszeit war die globale Durchschnittstemperatur nur etwa 4°C niedriger– und da war beinahe ganz Europa von einer dicken Eisschicht bedeckt.

Deshalb hat sich die internationale Staatengemeinschaft bereits 2015 auf der Weltklimakonferenz von Paris noch ehrgeizigere Ziele gesteckt. Dort wurde beschlossen, gemeinsam alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Klimaerwärmung auf maximal 2°C, im besten Fall sogar auf 1,5°C zu beschränken. Genau an dieser Stelle setzt der Klimaschutz an. Mit verschiedenen Maßnahmen kann gesteuert werden, wie stark sich die Temperatur erhöht und entsprechen wie gravierend der Klimawandel wird. Werden jetzt die Weichen richtig gestellt, kann der Klimawandel in einem verträglichen Rahmen gehalten werden.

Dem internationalen 1,5°C-Ziel folgend hat sich Österreich, wie auch die EU einiges vorgenommen: bis 2040 will Österreich, bis 2050 die EU klimaneutral sein. Um das zu erreichen, werden von Seiten der Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen: ab Oktober 2022 gibt es eine CO2-Steuer, das neue Klimaschutzgesetz ist in Arbeit, der Staat schafft Anreize für Investitionen in klimafreundliche Technologien und den massiven Ausbau von erneuerbaren Energieträgern.

Doch nicht nur die Bundespolitik muss aktiv sein, um die Klimaschutzziele zu erreichen, auch die Gemeinden und die Bevölkerung sind gefragt. Viele sehr effiziente Klimaschutzmaßnahmen liegen nämlich in der Hand von jedem und jeder Einzelnen: zum Beispiel bei Mobilität, Konsumverhalten oder Ernährung. Und auch der eigene Gebäudebestand spielt eine große Rolle: im Heizsystem in Haus oder Wohnung und der Dämmung ist viel Klimaschutzpotential.

Um den Klimaschutz schneller voranzubringen, haben sich 23 Gemeinden im Außerfern 2021 zur sog. Klima- und Energiemodellregion (KEM) Lechtal-Reutte zusammengeschlossen, seither werden sie von KEM-Manager Florian Strigl unterstützt. Seit Gründung der KEM ist Strigl viel beschäftigt: das Nahwärmenetz in Forchach wird ausgebaut, Photovoltaikanlagen in zahlreichen Gemeinden installiert, die Mitfahrplattform „ummadum“ zur Förderung von klimafreundlicher Mobilität eingeführt und eine Erneuerbare Energiegemeinschaft im Lechtal gegründet und in Betrieb genommen. Um der Bevölkerung praxisnahe Tipps zum Klimaschutz an die Hand zu geben, hat Strigl gemeinsam mit der Regionalentwicklung Außerfern (REA) das Außerferner Klimahandbuch „Alles.Außer Klimasünder“ entwickelt (kostenlos verfügbar unter https://kem-lechtal-reutte.at/).

Doch selbst, wenn der Klimaschutz von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft forciert wird und sich das Klima wirklich nur um 1,5°C erwärmt, muss mit weitreichenden Klimawandelfolgen gerechnet werden. Die Auswirkungen des Klimawandels sind regional sehr unterschiedlich und lassen sich nicht mit Gewissheit voraussagen. Wahrscheinlich ist, dass im Außerfern mit mehr Hitzetagen und vor allem mit einem sich ändernden Niederschlagsmuster zu rechnen ist: es wird öfter zu Starkniederschlagsereignissen kommen, gleichzeitig werden Trockenperioden häufiger. Außerdem muss mit mehr Stürmen gerechnet werden. Dadurch werden sich Katastrophensituationen häufen: mehr Lawinen- und Murenabgänge, mehr Überschwemmungen, mehr Dürren und mehr Hitze. All das hat gravierende Folgen für das Leben und Wirtschaften im Außerfern: ohne Schnee im Winter weniger Tourismus, ohne gleichmäßige Wassermenge im Lech weniger Wasserkraft, ohne zuverlässiges Wetter weniger Landwirtschaft.

Damit das Außerfern auch für die kommenden Generationen als lebenswerte Region erhalten bleiben kann, müssen jetzt die richtigen Maßnahmen gesetzt werden. Und die sind sehr vielseitig: Gebäudedämmung (Hitzeschutz in der Zukunft), Waldumbau (Nadelbäume sind wenig hitzetolerant), Flächenentsiegelung (Sickermöglichkeit bei Starkregen), Anbauversuche für landwirtschaftliche Nutzungen in einem sich verändernden Klima, Lawinen- und Hochwasserverbauung, …

Damit die Klimawandelanpassung zielgerichtet und strategisch von sich geht, wird derzeit angestrebt, neben der KEM noch eine KLAR! Region zu beantragen. KLAR! steht hier für Klimawandelanpassungsmodellregion – dabei handelt es sich um ein Förderprogramm des Bundes, das Regionen finanziell sehr großzügig bei der Anpassung an die Klimawandelfolgen unterstützt.

Aufgabe der KLAR! Außerfern wird es sein, ganz spezifisch für das Außerfern die Klimawandelfolgen abzuschätzen, Strategien zur Anpassung an den Klimawandel zu entwickeln, Maßnahmen zur Anpassung anzustoßen und die Bevölkerung zu motivieren und zu informieren, welche Maßnahmen sie im privaten Umfeld umsetzen können.

Derzeit befinden sich die 37 Außerferner Gemeinden in der Entscheidungsfindung bzgl. der Beteiligung an der KLAR!, eine Antragstellung findet nach positiver Entscheidung der Gemeinden im Jänner 2023 statt.

Weitere Infos zur KEM finden Sie unter https://kem-lechtal-reutte.at/, Infos zur KLAR! gibt es unter https://klar-anpassungsregionen.at/

Temperaturdifferenzen werden selbstverständlich nicht in [°C], sondern (wie alle Sekundarschüler*innen wissen!) in [K] dargestellt. Zum leichteren Verständnis wurde im Text darauf verzichtet.

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